von Augustin
Souchy
Max Stirner war der Philosoph des individualistischen Anarchismus, Bakunin – der Vorkämpfer des kollektiven Anarchismus, Kropotkin – der Begründer des kommunistischen Anarchismus, Max Netlau – der Historiker der anarchistischen Bewegung und Ideologie und Rocker – der Theoretiker des Anarchosyndikalismus.
Rocker
hat auf Basis der Ideen von Kropotkin und der französischen
Individualisten seinen Anarchosyndikalismus entwickelt. Er hat sich
nicht mit der Theorien begnügt, sondern zu Aktionen aufgerufen, wie
das die Syndikalisten in der jungen deutschen Republik gleich nach
dem Ersten Weltkrieg getan hatten, als sie die deutschen Arbeiter zur
Verwirklichung des Sozialismus durch die Besetzung der Fabriken und
durch die Gründung von Föderationen revolutionärer und freier
Gemeinschaften aufgerufen haben. Im Ruhrgebiet und im Rheinland gab
es damals um die hunderttausend Syndikalisten, und ihr
propagandistischer Generalstreik half dabei den Kapp-Putsch
reaktionärer, deutscher Generäle zu unterdrücken.
In
seinem Buch Theorie des Anarchosyndikalismus
zeigt Rocker auf, dass die Idee der Arbeiterräte als
Organisationsform der sozialistischen Arbeiterbewegung bereits im
Jahr 1869 von dem Belgier Hins auf dem Kongress der ersten
Internationalen vorgeschlagen wurde. Nach dem Fall der Pariser
Kommune ist die revolutionäre Arbeiterbewegung in Frankreich und
danach in Spanien und Italien unterdrückt worden, und die Idee der
Arbeiterräte konnte sich nicht gut entwickeln. In dieser Situation
war es für Karl Marx nicht weiter schwer auf dem Hager Kongress im
Jahr 1872 eine Mehrheit für die Beteiligung am Parlamentarismus zu
finden. Erst in der russischen Revolution im Jahr 1905 wurden spontan
Arbeiterräte geschaffen, die dann nach der Revolution von 1917 als
Machtinstrument von der jakobinisch-bolschewistischen Diktatur
ausgenutzt wurden.
In
seiner weniger bekannten Schrift Absolutistische Gedanken im
Sozialismus weist Rocker auf die Ähnlichkeiten zwischen Babes
und Napoleon hin. Er schreibt diesbezüglich:
„Das Bündnis der Jakobiner mit den Bonapartisten in der Zeit der
Restauration, der Anschluß, den Lassalle bei Bismarck suchte und nur
deshalb nicht finden konnte, weil er keine ebenbürtige Macht hinter
sich hatte, die Allianz zwischen Stalin und Hitler, die zur
unmittelbaren Ursache des letzten Weltkrieges wurde, sind nur in
diesem Sinne zu verstehen. Es handelt sich in allen diesen Fällen um
bestimmte Auswirkungen desselben absolutistischen Prinzips in
verschiedenen Formen. Wer diesen inneren Zusammenhängen nicht tiefer
nachgeht, dem hat die Geschichte überhaupt nichts zu
offenbaren.“
Die ganze babouvistische Schule des Sozialismus, die in Männern wie Barbes, Blanqui, Teste, Voyet d'Argenson, Bernard, Meillard, Nettre usw. ihre Vertreter fand und in den geheimen Bünden der „Gesellschaft der Familien“, der „Gesellschaft der Jahreszeiten“ und anderen ihre Wirksamkeit entfaltete, war durchaus autokratisch in ihren Bestrebungen. Nach einem geheimen Bericht, der 1840 von allen Sektionen der Gesellschaften angenommen wurde, sollte ein Direktorium von drei Personen den kommenden Aufstand organisieren und nach dem Siege als provisorische Regierung eingesetzt werden. Diese diktatorische Körperschaft sollte nicht vom Volke, sondern von den Verschworenen selbst gewählt werden. Die Regierung sollte die Leitung der Industrie, des Ackerbaus und der Verteilung der Produkte übernehmen. Um die Gleichheit der Gesinnung dem Staate gegenüber herzustellen, sollten die Kinder vom fünften Lebensjahre an den Eltern entzogen und in staatlichen Instituten erzogen werden. Das Vorbild eines totalen Staates wurde auf diese Weise also bereits von Sozialisten ausgearbeitet. Auch die Idee Lenins von den „professionellen Revolutionären“ ist nur ein Abklatsch von Blanquis „revolutionärem Generalstab“. Der „monarchistische Gedanke“, dem Proudhon den Krieg erklärt hatte, saß viel tiefer, als die meisten ahnen mochten und hat, wie die letzten Zeitereignisse überall in der Welt deutlich zeigen, seine Wirkung noch lange nicht eingebüßt.“ [1]
Die ganze babouvistische Schule des Sozialismus, die in Männern wie Barbes, Blanqui, Teste, Voyet d'Argenson, Bernard, Meillard, Nettre usw. ihre Vertreter fand und in den geheimen Bünden der „Gesellschaft der Familien“, der „Gesellschaft der Jahreszeiten“ und anderen ihre Wirksamkeit entfaltete, war durchaus autokratisch in ihren Bestrebungen. Nach einem geheimen Bericht, der 1840 von allen Sektionen der Gesellschaften angenommen wurde, sollte ein Direktorium von drei Personen den kommenden Aufstand organisieren und nach dem Siege als provisorische Regierung eingesetzt werden. Diese diktatorische Körperschaft sollte nicht vom Volke, sondern von den Verschworenen selbst gewählt werden. Die Regierung sollte die Leitung der Industrie, des Ackerbaus und der Verteilung der Produkte übernehmen. Um die Gleichheit der Gesinnung dem Staate gegenüber herzustellen, sollten die Kinder vom fünften Lebensjahre an den Eltern entzogen und in staatlichen Instituten erzogen werden. Das Vorbild eines totalen Staates wurde auf diese Weise also bereits von Sozialisten ausgearbeitet. Auch die Idee Lenins von den „professionellen Revolutionären“ ist nur ein Abklatsch von Blanquis „revolutionärem Generalstab“. Der „monarchistische Gedanke“, dem Proudhon den Krieg erklärt hatte, saß viel tiefer, als die meisten ahnen mochten und hat, wie die letzten Zeitereignisse überall in der Welt deutlich zeigen, seine Wirkung noch lange nicht eingebüßt.“ [1]
Rocker
hat die Kraft ökonomischer Faktoren auf die Geschichte nie
geleugnet; er hob aber auch die geistigen Kräfte und die Macht
kollektiver Ideen hervor. Das geht aus seinem Hauptwerk Nationalismus
und Kultur eindeutig hervor. Im Nationalismus sieht Rocker einen
verdorbenen Wahnsinn, der die Entwicklung des kulturellen
Universalismus stört. Obwohl das Buch bereits 1937 erschien, ist es
noch heute aktuell. Albert Einstein schrieb über dieses Buch: „Ich
finde Rockers Buch außergewöhnlich originell und belehrend. Es
stellt die gesellschaftlichen Zusammenhänge überzeugend in einem
neuen Licht dar. Obwohl ich von Rockers negativer Haupteinstellung
gegen den Staat nichts halte, betrachte ich dieses Buch als sehr
wichtig.“
Bertrand
Russel schrieb über das Buch, dass er es für „einen bedeutenden
Beitrag zur politischen Philosophie halte, sei es wegen der
tiefgründigen Analyse einer Reihe berühmter Schriftsteller, sei es
wegen der glänzenden Kritik am Staat, der den schädlichsten
Aberglauben unserer Zeit darstellt. Es wäre zu wünschen, dass
dieses Buch in allen Ländern verbreitet und gelesen wird, wo der
freie Gedanke noch nicht ungesetzlich ist.“
Es
ist für mich ein besonderes Bedürfnis, ein paar Zeilen über meinen
ehemaligen Freund Rocker anlässlich seines hundertsten Geburtstages
zu schreiben. Sein uneigennütziges und kämpferisches Leben soll
neuen Generationen beispielhaft sein.
Augustin Souchy. Teoretiker fun anarkho-sindikalizm. in: Fraye arbeter shtime (Mai 1973), New York: Free Voice of Labour Association.
Original: